Meine
Probezeit war kurz vor dem Auslaufen. Ich hatte es fast geschafft.
Alles sah gut aus, ich hatte keine Ahnung dass es einen
Strömungsabriss geben würde. Ich klatschte aufs Gesicht, wie ein
Pfannkuchen der aus der Pfanne fällt. Batsch!
Was
für eine beschämende Situation.
Mir
wurde mitgeteilt dass mein Umgang mit Regeln (Regeln sind
Verhandlungssache und sollten nach Sinnhaftigkeit hinterfragt werden)
und meine Kommunikation (Wenn du ein Problem mit mir hast, dann komm
bitte zu mir) nicht ins Haus passt. Weiterhin würde meine Haltung
das Team, welches seit 7 Jahren von meiner Leitungskollegin aufgebaut
wurde, zerreißen. Ich würde sie nicht, in ihrem Sinne, vertreten.
Mensch wird nun davon ausgehen, dass ich eingeweiht wurde, angeleitet
oder sinnvoll begleitet, um ihren Weg zu lernen. Nein, das fand nicht
statt. Ich begann einfach. Denn in den ersten Monaten waren andere
Maßnahmen wichtiger. Ein Familienzentrum sollte entstehen. Dahinter
musste alles andere zurückstehen.
Meine
Vorerfahrung?
Ich
leitete jahrelang ein kleines Team von drei Leuten. Überschaubar und
sehr direkt. Kein Verstecken in der Masse. Hier hatte ich nun 20
Menschen unter mir, verteilt auf zwei Etagen. Manche von denen sah
ich manchmal nur alle zwei Tage.
Als
stellvertretende Leitung war ich in Doppelfunktion tätig. Ich war
sowohl mit einigen Stunden in der Woche (4-6) in der Leitungsarbeit,
was meist administrative Tätigkeiten waren, als auch in der
pädagogischen Arbeit (33-35). Auch im Rahmen meiner pädagogischen
Tätigkeit erhielt ich keine Einarbeitung und dass in einem Haus mit
130-150 Kindern. Und obwohl es, wie ich später erfuhr, die Praxis
des Tandems oder Mentor gibt, bei der ein/e neue/e Kolleg*in eine/n
feste/n Kolleg*in als Einarbeitungspartner bekommt. Diese/r Kolleg*in
hat dann alle Abläufe zu vermitteln und dafür Sorge zu tragen, dass
der/die Neue eingearbeitet wird und einen festen Ansprechpartner hat.
Daraus ergaben sich natürlich Missverständnisse, ich musste mir
alles selbst erschließen und so blieben mir manche Zusammenhänge
verborgen. Aber Missverständnisse kann Mensch aus der Welt räumen,
wenn miteinander gesprochen wird und eine gewisse
Fehlerfreundlichkeit herrscht. Was für Fehler das waren? Ich legte
keine Matten in den Schlafraum, ich machte klassische Musik zum Essen
und im Kreativbereich an. Fehler die, aus meiner Perspektive einer
kurzen Korrektur bedürfen, dann lacht Mensch darüber und alles geht
weiter. Nur Mensch kann nicht darüber lachen wenn Mensch nicht
miteinander redet!
Rahmenbedingungen.
Ohne
die stets erwähnte Situation in den Kindertagesstätten, über die
Maßen, bemühen zu wollen, sollte klar sein, dass knapp 150 Kinder
laut sind. Und dass es kaum möglich ist diese Kinder sinnvoll und
ihren Bedürfnissen entsprechend zu betreuen, wenn die Branche nicht
genügend Fachpersonal hat. Wir waren stets unterbesetzt, selbst in
den wenigen Wochen wo niemand Urlaub hatte oder krank war. Der
Lärmpegel ist enorm taxierend. Es gab Tage an denen standen Kinder
direkt vor mir und ich verstand kein Wort von dem was sie sagten.
Ja,
ich kenne die Rahmenbedingungen, ja ich wusste worauf ich mich
einlasse. Aber welche Wahl habe ich denn? Die Branche baut und baut
und die Fachkräfte kommen nicht nach, weil die Politik nicht dafür
sorgt dass wir anständig bezahlt werden. Gerade heute stehen meine
Kolleg*innen wieder auf der Straße und sind im Warnstreik. Ich liebe
meinen Job und ich möchte nichts anderes machen, bei den vorhandenen
Rahmenbedingungen muss ich aber auch an mich denken und der Gedanke
dass ich irgendetwas anderes machen würde, wenn ich nur davon leben
könnte, kam mir nicht nur einmal.
Zu
den Rahmenbedingungen zählen auch die Teambildung und der Umgang der
Kollegen miteinander. Meine Leitungskollegin bezeichnete sich selbst
gerne als Königin ohne die nichts laufen würde. Eine Form von
Geltungsdrang die davon lebt dass ihre Untergebenen stets auf sie
angewiesen sind. Dies in Form von Zuwendungen wie Trost oder
Motivationsgesprächen, sie nannte es ‚Titti‘. Um diese
Aufmerksamkeit der Kollegen zu bekommen und damit eine Berechtigung
für ihre Position, verhindert diese Kollegin nachhaltig eine
Emanzipation der Menschen in ihrem Haus. Sie unterstützt ein Klima
in dem es völlig ok ist sich das Maul hinter dem Rücken anderer zu
zerreißen. Ein Klima in dem keine Notwendigkeit besteht etwas daran
zu ändern. Denn wenn es weh tut ist Mama da und gibt Titti. Sie
verhindert so erfolgreich das Entstehen einer konstruktiven
Streitkultur in der es möglich ist sich fachlich auseinanderzusetzen
ohne sich persönlich anzugreifen. Jede Kritik, die ich in meiner
Zeit in diesem Hause, an Kolleg*innen richtete ,habe ich vorher gut
durchdacht und versucht konstruktiv und empathisch zu vermitteln und
doch stellte sich im Nachhinein heraus, dass sich alle Kolleg*innen
persönlich angegriffen füllten und darüber nicht mehr in der Lage
waren, neben ihren Befindlichkeiten auch die inhaltliche Ebene zu
sehen. Ich will gar nicht behaupten dass meine Art mit Kritik
umzugehen perfekt sei und dass ich keine Fehler machen würde, ich
sage nur dass ich mir viele Gedanken darum gemacht habe und glaube
empathisch und konstruktiv gewesen zu sein.
Mein
Ansatz verfolgt eher das Fördern mündiger Mitarbeiter*innen, die
für ihre Interessen und Belange selbst einstehen können. Die in der
Lage sind sich selbst zu organisieren und niemanden braucht der ihnen
ein OK gibt. Die eine fachliche Diskussion führen können, ohne sich
persönlich angegriffen zu fühlen. Erwarte ich da zu viel?
Wieso
erzähle ich euch das alles? Naja, wie gesagt, bis letzte Woche war
alles super. Zumindest dachte ich das. In der Dienstbesprechung gab
ich sogar noch überschwängliches Feedback und erzählte wie wohl
ich mich fühlte. Niemand widersprach mir oder schien auch nur eine
Sorge zu haben. Ist ja auch kein Wunder. Denn sie machten das hinter
meinem Rücken, sie sprachen untereinander und mit meiner
Leitungskollegin. Nur nicht mit mir. Und so kam es dann, dass ich aus
der Pfanne fiel. Viele kleine Missverständnisse hatten sich im Laufe
der Zeit zu dicken Schneebällen aufgerollt. Inhalte die ich gerne
besprochen hätte, hatten sich über Wochen zu großer Frustration
angestaut und die entlud sich nun. Leider dürfte ich dazu nicht mehr
Stellung beziehen. Meine Leitungskollegin veranstaltete eine
Teamsitzung in der es um meine Personalie ging. Dort hatten, zum
wiederholten Male, all jene eine Chance, hinter meinem Rücken, über
mich zu reden.
Am
nächsten Morgen fuhr ich in die Einrichtung und mir wurde mitgeteilt
dass ich in Zukunft nicht mehr dort arbeiten werde. Ich habe nicht
erfahren was mir konkret vorgeworfen wurde, ich bekam keine Chance
mich gegen diese Vorwürfe zu verteidigen. Ich wurde fallen gelassen.
Nun
frage ich mich:“Was soll ich nur daraus lernen?“ Da mir genauere
Vorwürfe nicht bekannt sind, laufe ich Gefahr die selben Fehler
wieder zu begehen.Sicherlich macht es mich argwöhnischer maulfaulen
Kolleg*innen gegenüber. Vom Leiten habe ich gerade die Schnauze
gestrichen voll.
Nun
sehe ich mich nach einer neuen Stelle um, wieder etwas gelernt und
wieder etwas abgegessener.
Kommentare:
Ich verstehe Deine Gedankenkaskade, ihren Verlauf und warum Du sie hast. Ich denke aber Du hast selbst schon für Dich entschieden, dass es in dem Laden eine Menge Probleme gibt und er mit seiner verknorksten Kommunikationskultur nicht zu Dir passt. Dann schau nach vorne und sieh eine Trennung als guten Schritt, egal von wem sie ausgeht. Ich bin sicher, dass es auch Einrichtungen mit anderer Kultur gibt. Das ist kein grundsätzliches Problem Deines Berufs.
Und erinnere Dich an das, was ich vor einem halben Jahr immer wieder gesagt habe: "Ja, aber … Westend??"
Da hast du Recht und ich bin auch schon voll in dem Prozess. Bewerbungen sind raus. Ein kurzes Innehalten und Verschnaufen muss aber sein, damit eine halbwegs nützliche Reflektion passieren kann. Ob das ganze jetzt mit Westend zu tun hat, das weiß ich nicht...
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