Der leise Klang einer Fiedel drang von fern an sein Ohr. Er hob langsam den Kopf, heisser Sand rieselte ihm dabei in den Kragen seines weiten Hemdes. Er schluckte und wollte etwas sagen, doch der Schmerz seiner aufspringenden Lippen liess ihn stocken. Heiser und mit trockenem Mund formulierte er ein schwach gestöhntes :“ Hier bin ich, hier!“ und sackte zurück in den heissen Wüstensand. So sollte es also zu Ende gehen, obwohl alles so gut angefangen hatte.
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„Und wenn du damit fertig bist zeigst du es mir noch einmal zur Kontrolle, ich kann es mir nicht erlauben das mein Lehrling die Kundschaft vergrault weil er schlampig arbeitet.“ „Ja, Meister“ antwortete der junge Mann und beugte sich tiefer über seine Arbeitsbank. In seiner rechten Augenhöhle steckte das Okular eines Juwelenschleifers. Heute fiel es ihm ausgesprochen schwer sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Es war nicht so das es ihm keinen Spass machte, nein im Gegenteil, er liebte diese Arbeit. Er liebte es mit der Verantwortung für den teuren Werkstoff umzugehen und aus dem was die Schöpfung schon wunderbar hervorgebracht hatte noch etwas grösseres, wunderbareres werden zu lassen. Er fühlte sich bei der Arbeit als lebendiger Teil der Schöpfung. Er hatte das Gefühl wirklich etwas verändern zu können. Auch wenn diese Veränderung manchmal nur langsam voranschritt und für das Laienauge kaum sichtbar war.
Er hob seinen Kopf und legte ihn in den Nacken. Mit vorgeschobener Unterlippe blies er sich die langen schwarzen Haare seines Ponies aus dem Gesicht, während er den Kopf erst nach rechts und dann nach links drehte und knackend seine Nackenwirbel deblockierte. Er nahm das Okular aus dem Gesicht und sah zu seinem Meister herüber. Immer wieder musste er lächeln wenn er Meister Haruki ansah. Dieser kleine, etwas zerbrechlich wirkende Mann hatte eine Ausstrahlung wie ein Löwe, wobei sein Blick eher etwas raubvogelhaftes hatte. Dieser verhandelte gerade mit einem Händler über einen Beutel Rubine und gestikulierte sparsam aber ausdruckstark auf den Händler ein. Der gab endlich nach und akzeptierte den Preis den Meister Haruki bot. Mit einem Handschlag wurde der Handel besiegelt und Ware und Jade wechselten ihre Besitzer. „Ein Talent für diese Menge an Steinen ist wirklich nicht akzeptabel“, sagte er als er sich seinem Lehrling zuwendete. „Immerhin sind die Steine von hervorragender Qualität und wir werden sie sicher für das fünffache wieder los“ er lächelte verschmitzt und ging auf seinen Lehrling zu. „Dann zeig mal was du da hast, Compa!“ sagte er als sein Lehrling sich erhob und ihm das Ergebnis seiner Arbeit des heutigen Vormittags mit beiden Händen überreichte. „ Ich denke es ist gut geworden Meister Haruki“, er sah seinen Meister aufgeregt grinsend an. Dieser hatte den Blick auf den Edelstein gesenkt den er soeben erhalten hatte. Langsam drehte er das Kunstwerk zwischen Zeigefinger und Daumen der rechten Hand und während er den Stein vor sein rechtes Auge hob sagte er: „Auf grobe Fehler hast du diesmal verzichtet, das ist unerwartend erfrischend.“ Er nahm den Stein vom Auge und zwinkerte Compa lächelnd zu. „Sehr gut“ er nickte und gab Compa den Stein wieder. Compa strahlte von Ohr zu Ohr und verwahrte den Stein in der dafür vorgesehenen Truhe. Ein eher unscheinbares Model von Truhe, sie machte augenscheinlich nicht viel her, doch Compa wusste das ihre Stärke eher in der Struktur des verbauten Materials lag als im Erscheinen. Er wandte sich wieder seinem Meister zu während er sich mit dem Handrücken den Schweiss aus dem Gesicht wischte.
Es wurde langsam heiss, es wurde immer heiss in Gem wenn es auf den Mittag zuging.
Gem war keine grosse Stadt, aber sie war die grösste Stadt so tief im Süden nahe dem Elementarpols des Feuers. Wenn man behauptete es wurde heiss gegen Mittag, dann meinte man eigentlich das es unerträglich wurde. Denn heiss war es in Gem zu jeder Tages- und Jahreszeit. Die Oberflächen ausserhalb der schattenspendenden Sonnensegel waren glutheiss, über ihnen flirrte die Luft. Gem hatte Edelsteine. Gem hatte kein Wasser. Diese beiden wichtigen Fakten machten Gem in der ganzen Schöpfung bekannt. Hier tauschte man das von dem man zuviel hatte, gegen das was man zum Überleben brauchte. Glücklicherweise war der vorhandene Überfluss in Gem im fernen Reich der scharlachroten Kaiserin ein Vermögen wert.
Die Behausungen und Werkstätten der Menschen die hier lebten waren in den Fels gegraben worden. Es muss eine ungeheure Qual gewesen sein diese Höhlen anzulegen. Die Höhlen zogen sich in mehreren Kreisen den Berg hinauf und so bestand die Stadt aus mehreren Ebenen. Die Höhleneingänge waren mit breiten Sonnensegeln aus Leinen und Tierhäuten vor der direkten Sonne geschützt. Auf den Plätzen der Händler hatte man die Sonnensegel so gespannt das man auf dem ganzen Platz im Schatten ging.
Gegen Mittag war es in dieser Stadt üblich die Arbeit ruhen zu lassen und sich auszuruhen. Dazu zog man sich in die Höhlen zurück, denn dort war es halbwegs erträglich, besonders wenn man direkt von draussen hereinkam war es sehr angenehm in die Höhlen zu gehen. Es kühlte angenehm ohne langfristig auszukühlen, denn der warme Wind der die Hänge des Berges hinauf und hinab wehte, fuhr auch durch die Höhlen.
„Meister Haruki? Die Sonne steht fast im Zenit, darf ich mich zurückziehen?“ Er sah zu seinem Meister herüber. Dieser stand mit dem Rücken zu ihm und sah ihn über die linke Schulter hinweg an. „Ja ist gut Compa, ich bin sehr zufrieden mit dir, du hast viel gelernt“, er drehte sich während er das sagte vollständig um und musterte Compa lächelnd. „Vielleicht sollten wir bald über deine Gesellenprüfung sprechen, ich denke du bist soweit“. Compa schluckte und liess den Mund offen stehen „ Meister Haruki meint ihr das wirklich?“ Er konnte seine Freude kaum unterdrücken während er seinen Meister fragte. Meister Haruki nickte nur.
„Danke Meister“, Compa strahlte über das ganze Gesicht und trat nervös auf der Stelle. „Nun mach das du in die Höhlen kommst, wir besprechen alles andere heute Abend wenn es wieder etwas erträglicher ist hier draussen.“
Meister Haruki machte eine verscheuchende Geste und wandte sich wieder seiner Kasse zu.
Compa machte auf den Hacken kehrt und lief aus der Werkstatt. Das musste er unbedingt Tama erzählen. Compa lief durch die schattigen Gassen der Stadt auf die unterste Ebene. Dort war es um diese Tageszeit zwar voll aber auch kühl. Und vorallem war dort Tama.
Die Leute sahen dem grossen, jungen Mann lächelnd nach. Sein langes Haar war mit einem Stück Leder zu einem Zopf gebunden, nur der Pony war noch widerspenstig kurz und löste sich immer wieder aus seinem Zopf. Er trug die üblichen Gewänder, ein weites rotes Hemd dessen Stoff leicht war und nicht über die Maßen belastete und dazu eine weite Stoffhose aus ehemals weissem Stoff. Seine braungebrannten Füsse waren nackt und machten patschende Geräusche als er über den Fels des Berges rannte. Sein Körperbau war eher drahtig zu nennen. Seine Mutter sagte immer das er mehr essen solle weil er nichts auf den Rippen hatte. Compa fand das nicht und er war zufrieden mit dem was die Schöpfung ihm als Körper geschenkt hatte. Sein Gesicht hatte feine Züge, einen sinnlichen Mund und schwungvolle Augenbrauen. Und wenn dieses Gesicht lächelte dann war das als würde die Sonne aufgehen.
to be continued........